Inhalt dieses Beitrags
KI-Systemen beizubringen, das Geschehen in Videos in gleichem Maße zu erfassen, wie es das menschliche Gehirn schafft, ist wohl eine der schwierigsten Herausforderungen in der Welt des maschinellen Lernens. Facebook hofft nun auf den großen Durchbruch in diesem Bereich: das Unternehmen kündigte ein neues KI-Projekt an. Die KI soll das Verstehen von Video-Inhalten an öffentlichen Videos von Facebook-Nutzer*innen trainieren.
Entscheidend: ausreichend Trainingsdaten
Ein riesen-Vorteil im maschinellen Lernen durch KI ist eine große Datenbasis, aus der man Trainingsdaten entnehmen kann. Durch das eifrige Sammeln dieser Ressource von Millionen von Nutzer*innen erzielten Tech-Giganten wie Facebook, Google und Amazon echte Fortschritte im Bereich KI-Learning. Bisher hat Facebook seine KI auf Milliarden von Instagram-Bildern trainiert, Videos waren bisher allerdings nicht Teil der Analysen.
“Durch das Lernen aus globalen Streams öffentlich verfügbarer Videos, die fast jedes Land und Hunderte von Sprachen umfassen, werden unsere KI-Systeme nicht nur die Genauigkeit verbessern, sondern sich auch an unsere schnelllebige Welt anpassen und die Nuancen und visuellen Hinweise in verschiedenen Kulturen und Regionen erkennen”, so das Unternehmen in seinem Blogbeitrag. Das Projekt mit dem Titel “Learning from Videos” ist auch Teil von Facebooks “breiteren Bemühungen, Maschinen zu bauen, die wie Menschen lernen.”
Nutzer*innen noch besser verstehen
Die geschaffenen KI-basierten Lernmodelle sollen laut Facebook dazu verwendet werden, neue Empfehlungssysteme und Tools zu erstellen.
Davon abgesehen könnte aber in Zukunft noch etwas viel wertvolleres erreicht werden. KI, die den Inhalt von Videos verstehen kann, könnte Facebook einen noch nie dagewesenen Einblick in das Leben der Nutzer*innen verschaffen und so deren Hobbys und Interessen, Vorlieben bei Marken und Kleidung und unzählige andere persönliche Details analysieren.
Natürlich hat Facebook durch sein aktuelles Ad-Targeting bereits Zugang zu solchen Informationen, aber die Möglichkeit, Videos durch KI zu analysieren, würde die Datenquelle immens bereichern. Aussagen darüber, ob die Ergebnisse des KI-Learnings in das Anzeigengeschäft einfließen werden, gab es bisher nicht.
Der Konzern äußerte sich zudem noch nicht explizit über die Zwecke, zu denen diese KI-Modelle eingesetzt werden sollen. Auch notwendige Regelungen bezüglich Datenschutz (müssen Nutzer*innen der Verwendung für KI-Modelle explizit zustimmen?) wurden nicht beschrieben.
Facebooks “Smarte Brillen”
In seinem Blog-Post zur Ankündigung des Projekts wies das soziale Netzwerk auf eine zukünftige Anwendung hin: die Verwendung von KI zum Abrufen “digitaler Erinnerungen”, erfasst durch smarte Brillen. Diese Brillen sollen noch dieses Jahr auf den Mark kommen. Details über diese Geräte gibt es bisher kaum. Vermutlich werden die zukünftige Brillen integrierte Kameras enthalten, um den Blickwinkel des Trägers zu erfassen. Wenn KI-Systeme darauf trainiert werden können, den Inhalt von Videos zu verstehen, dann wird es möglich sein, nach vergangenen Aufnahmen zu suchen – so wie viele Foto-Apps die Suche nach bestimmten Orten, Objekten oder Personen ermöglichen.
“Da das Aufnehmen von Videos mit Smart Glasses zur Norm wird, sollten die Menschen in der Lage sein, bestimmte Momente aus ihrer riesigen Bank digitaler Erinnerungen genauso einfach abzurufen, wie sie sie aufnehmen.”
Facebook Blog-Post
Mit Blick auf die Zukunft würde die Kombination von Smarten Brillen und maschinellem Lernen das ermöglichen, was als “Worldscraping” bezeichnet wird – das Erfassen von granularen Daten über die Welt, indem Träger dieser Brillen in umherziehende CCTV-Kameras verwandelt werden. Die Praxis wurde letztes Jahr in einem Bericht von The Guardian beschrieben: “Jedes Mal, wenn jemand einen Supermarkt durchstöbert, würde seine smarte Brille in Echtzeit Preisdaten, Lagerbestände und Browsing-Gewohnheiten aufzeichnen; jedes Mal, wenn er eine Zeitung aufschlägt, würde seine Brille wissen, welche Geschichten er liest, welche Anzeigen er sich ansieht und auf welchen Promi-Strandbildern sein Blick verweilt.”
Dieses Szenario ist natürlich extrem – und laut Facebook derzeit nicht im Fokus der Forschung. Es verdeutlicht jedoch die potenzielle Bedeutung der Kombination von fortschrittlicher KI-Videoanalyse mit Smart Glasses – woran das soziale Netzwerk offenbar sehr interessiert ist.