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Sie werden als “Gatekeeper” der digitalen Wirtschaft bezeichnet: Google, Apple, Amazon und Facebook. Sie verhindern als Monopolisten möglichen Konkurrenten den Einstieg in den Markt. Der gestern veröffentlichte Bericht des US-Kongresses umfasst mehr als 400 Seiten, in denen einige konkrete Beispiele von angeblichen Marktmissbräuchen der genannten Tech-Riesen beschrieben werden. Darin heißt es unter anderem:
“Da Amazon, Apple, Facebook und Google die Kontrolle über wichtige Vertriebskanäle erlangt haben, fungieren sie inzwischen als Gatekeeper. Ein großer Teil der Unternehmen in der gesamten US-Wirtschaft ist nun von diesen Gatekeepern abhängig, um Zugang zu Nutzern und Märkten zu erhalten.”
Quelle: US-Kongressbericht (pdf)
Google: ein System ‘ineinandergreifender Monopole’
Der Bericht stellt fest, dass “Google starke und stetige Gewinne erzielt hat, mit Gewinnspannen von mehr als 20% in neun der letzten zehn Jahre, fast dreimal so hoch wie der Durchschnitt eines US-Unternehmens”. Zudem werden Finanzanalysten zitiert, die argumentieren, dass “Google gut positioniert ist, um seine Dominanz aufrechtzuerhalten, und feststellen, dass ‘Alphabet ungewöhnlich tiefe Wettbewerbsgräben um sein Unternehmen herum angelegt hat'”.
Ausbeutung von Vertragspartnern
Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass Google über ein effektives Monopol unter den Suchmaschinen-Anbietern verfügt. Die Unternehmens-Größe, seine Daten und der “Gatekeeper”-Status werden dazu genutzt, den Wettbewerb zu behindern oder abhängige Vertragspartner auszubeuten. Außerdem kritisiert der Bericht Google dafür, dass es sich Inhalte von Dritten “widerrechtlich aneignet” und seinen eigenen vertikalen Inhalt in den Suchergebnissen bevorzugt.
Bevorzugung eigener Inhalte auf Suchergebnisseiten
Anhand von Beispielen, die zweifellos von Yelp und TripAdvisor stammen, beschreibt der Bericht das angebliche Bestreben von Google, Inhalte von Drittanbietern in den SERPs nach unten zu drängen und den eigenen vertikalen Inhalt zu erhöhen. Der Bericht argumentiert weiter, dass “Google durch die Verhängung algorithmischer Strafen auch bestimmte Konkurrenten aktiv degradiert hat”. Er greift ein Argument von Yelp auf und behauptet, dass Googles firmeneigener vertikaler Inhalt die “Degradierungskriterien” von Google wahrscheinlich nicht überleben würde.
Im Folgenden sind einige zusätzliche Erkenntnisse über Google aus dem Kongressbericht aufgeführt:
- Google “schöpft Traffic aus dem restlichen Web ab, während Unternehmen, die Nutzer erreichen wollen, Google stetig steigende Summen für Anzeigen zahlen müssen”.
- Google “hat sein Monopol für die allgemeine Suche [ ] durch eine Reihe wettbewerbswidriger Verträge aufrechterhalten” und wendet insbesondere Vorinstallationsregeln für Android-OEMs an.
- Googles riesiges Repertoire an Nutzerdaten trägt dazu bei, “seine Dominanz über die Märkte hinweg zu verstärken”. Die Vielfalt an Dienstleistungen, die alle miteinander verknüpft sind, funktionieren “wie ein Ökosystem ineinander greifender Monopole”.
Googles Statement
Google äußerte sich als erstes Unternehmen zu den Vorwürfen und ging vor allem auf die im Bericht erwähnten Maßnahmen zur Zerschlagung der Unternehmen ein. Veröffentlicht wurde das Statement im eigenen Blog:
“Die Amerikaner wollen einfach nicht, dass der Kongress die Produkte von Google zerschlägt oder die kostenlosen Dienste, die sie täglich nutzen, beeinträchtigt. Das Ziel des Kartellrechts ist es, die Verbraucher zu schützen, nicht kommerziellen Konkurrenten zu helfen. Viele der Vorschläge, um die es in den heutigen Berichten geht – sei es die Zerschlagung von Unternehmen oder die Unterbietung von Abschnitt 230 – würden den Verbrauchern, Amerikas Technologieführerschaft und der US-Wirtschaft echten Schaden zufügen – und das alles ohne klaren Gewinn”.
Facebook: “Konkurrenten abkaufen, kopieren oder vernichten”
Facebook argumentiert immer wieder damit, dass es einer breiten Konkurrenz von Twitter, Snapchat, Pinterest und TikTok ausgesetzt ist. Unter Berufung auf Daten zur Nutzung und Reichweite stellt der Bericht des Unterausschusses jedoch fest:
“Facebook hat eine Monopolmacht auf dem Markt für soziale Netzwerke. Es hat seit fast einem Jahrzehnt eine unangreifbare Position auf dem Markt für soziale Netzwerke inne…Netzwerkeffekte, Datenvorteile und hohe Wechselkosten entmutigen den direkten Wettbewerb durch andere Firmen, neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten”.
Monopolistische Übernahme-Strategien
Ein Großteil der Facebook-Diskussion im Bericht konzentriert sich auf die Übernahme-Strategie und die Frage, welches Ziel der Kauf von Instagram und WhatsApp verfolgte. Sollten die Käufe gefährliche Wettbewerbsbedrohungen für das Unternehmen zerschlagen? Der Bericht zitiert interne Memos und Dokumente von Facebook, in denen die Strategie des Unternehmens als “Landraub” und als Instrument zur “Neutralisierung von Wettbewerbsbedrohungen und zur Aufrechterhaltung der [dominanten] Position von Facebook” beschrieben wird.
Ideen-Diebstahl und Datenmissbrauch
“Facebook nutzte seinen Datenvorteil, um eine überlegene Marktintelligenz zu schaffen, um aufkommende Wettbewerbsbedrohungen zu identifizieren und diese Firmen dann zu erwerben, zu kopieren oder zu töten”, heißt es in dem Bericht. Es werden Fälle zitiert, in denen Facebook (bzw. Instagram) Funktionen von Konkurrenten (z.B. Snapchat Stories) kopiert hat, um sie zu “zerstören”.
Darüber hinaus werden Beispiele beschrieben für angebliche “Schritte, die unternommen wurden, um Daten zu missbrauchen, Konkurrenten zu schädigen und Facebook vor dem Wettbewerb zu schützen”.
Monopolmacht bei Online-Werbung in Sozialen Medien
Schließlich erörtert der Bericht ausführlich die “Monopolmacht von Facebook bei der Online-Werbung auf dem Markt für soziale Netzwerke”. Er zitiert Aussagen Dritter, Facebook-Werbung sei “unvermeidlich”, ein “Muss” und angesichts ihres Umfangs und ihrer Fähigkeiten “schwer zu ersetzen”.
Apple & Amazon: “dauerhafte Marktmacht” schadet Wettbewerb
Apple und Amazon werden nicht in der gleichen Weise wie Google und Facebook als “Monopole” bezeichnet, sondern als “dauerhafte Marktmacht”. Diese Tatsache lasse sich ohne kartellrechtliche Intervention wahrscheinlich nicht ändern. Bei Apple geht es vor allem um das Betriebssystem iOS und den App Store.
Im Fall von Amazon führten laut Kongressbericht eine Reihe von Vorteilen und Verhaltensweisen zu einer Abhängigkeit, sowohl seitens der Verbraucher als auch von Dritthändlern, die auf der Plattform verkaufen.
Maßnahmen-Vorschläge des Kongresses
Die Diskussion des Kongressberichts über mögliche Maßnahmen und empfohlene Änderungen im Kartellrecht ist umfassend und sehr fachspezifisch. Der Unterausschuss kam schließlich zu dem Schluss, dass die derzeitigen Mechanismen zur Durchsetzung des Kartellrechts nicht ausreichen, um mit der Machtkonzentration in der digitalen Wirtschaft fertig zu werden. Dementsprechend bietet der Bericht eine Reihe von Gesetzes-Vorschlägen.
Er empfiehlt eine Stärkung der bestehenden Kartellgesetze und deren Durchsetzung. Außerdem sollen neue Regeln ausgeabreitet werden, darunter z.B. “Nichtdiskriminierungsvorschriften, die marktbeherrschenden Plattformen verbieten, sich selbst zu bevorzugen, und von ihnen verlangen, gleiche Bedingungen für gleiche Produkte und Dienstleistungen zu bieten”. Sie plädiert auch für ein “Verbot künftiger Fusionen und Übernahmen durch die marktbeherrschenden Plattformen”. Mit anderen Worten: Große Unternehmen, die eine sensible Übernahme anstreben, hätten eine viel höhere Messlatte zu erfüllen.
Herausforderungen
Der Kongress könnte Schwierigkeiten haben, ein weitreichendes neues Kartellgesetz zu verabschieden. Über die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes herrscht Uneinigkeit unter Demokraten und Republikanern – obwohl sich beide Parteien über die grundlegenden Ergebnisse des Berichts offenbar einig sind.
Umstrittene “Strukturelle Trennung”
Umstritten ist der Vorschlag, eine “strukturelle Trennung” als mögliche Abhilfemaßnahme durchzuführen. Es wird hier nicht näher darauf eingegangen, welche Unternehmenszweige konkret getrennt werden sollen (z.B. Google-Android oder Facebook-Instagram).
Für Vermarkter wird sich durch diesen Bericht möglicherweise über Jahre hinweg wenig – oder gar nichts ändern. Die anstehenden Kartellverfahren müssen zunächst einen langwierigen Weg durch das Justizsystem der USA durchlaufen.